Ich gehe gerne spazieren. Sehr gerne sogar. Dabei kann ich mich entspannen und tue nicht nur meinem Körper, sondern auch meiner Seele etwas Gutes. Viele meiner leistungsorientierten Freunde belächeln mich jedoch, mitunter muss ich mir sogar die Frage anhören, warum ich meine wertvolle Zeit mit einem Spaziergang verschwende, wo ich doch genauso gut “richtig” trainieren könnte.
Für mich ist mein Spaziergang auch so etwas wie eine Trainingseinheit. Zwar mehr eine regenerative, aber trotzdem genauso wichtig. Nicht nur der Körper regeneriert beim Spazierengehen, sondern auch der Geist erholt sich. Ich kann mir nicht jeden Tag im Training Leistung abverlangen, sondern benötige auch mal eine Pause. Bei einem Spaziergang in der freien Natur bin ich locker und gelöst und kann die Schönheit der jeweiligen Jahrezeit genießen. Ich bleibe auch oft stehen und sehe mir ganz in Ruhe Details an. Eine kleine Blume am Wegesrand, ein besonderes Astloch, oder einfach auch nur eine schöne Aussicht. Oft habe ich auch die Kamera dabei.
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Ist das nun Sport?
Ganz ehrlich, mir ist die Definition nicht so wichtig. Wichtig ist, dass mir der Spaziergang guttut. Fühle ich mich dabei und hinterher wohl, so stellt sich doch die Frage gar nicht, ob es “etwas bringt”. Nach vielen Jahren Leistungssport bin ich längst davon abgekommen, mich immer weiter selbst zu optimieren und ständig irgendwelche Ziele zu verfolgen. Das ist natürlich einfach gesagt, denn ich bin in einem Alter, in dem man ohnehin keine Bestleistungen mehr erreicht.
Doch auch meine jüngeren Trainingspartner kennen die Vorzüge des Spaziergangs. Zugegebenermaßen schlendern die jungen Athleten nicht wie ich des Weges, sondern sind in einer gewissen Geschwindigkeit unterwegs, gerne auch mit Nordic Walking Stöcken bewaffnet und mit einer wirklich ausgefeilten Technik. Würde ich dieses Tempo mitgehen, so wären diese Spaziergänge für mich regelrechte Cardio-Einheiten.
Vorteile des Spaziergangs
Gerade nach einer anstrengenden Trainingswoche oder in der Regenerationsphase nach einem Wettkampf hat der Spaziergang aber einige überzeugende Vorteile zu bieten: Der Kreislauf wird sanft in Schwung gehalten, die verbundene geringere Anstrengung behindert jedoch nicht die Regeneration. Die Muskulatur wird sanft bewegt, so kann sich das eingelagerte Laktat schneller abbauen. Wurden beim Wettkampf oder beim sehr langen Lauf bestimmte Muskelgruppen überstrapaziert, so können diese sich beim Spazierengehen sehr gut erholen. Sicher ist Dir auch schon aufgefallen, dass beim Gehen der Schwerpunkt auf ganz anderen Muskelgruppen liegt als beim schnellen oder sehr schnellen Laufen.
Probier es einmal aus: Wenn Du Dich nach einer starken Belastung so richtig steif und unbeweglich fühlst, dann kann ein Spaziergang kleine Wunder bewirken. Der Körper lockert und entspannt sich, die frische Luft und die leichte Belastung bewirken eine regelrechte Verjüngung. Auch in der Regenerationsphase nach einem überstandenen Infekt, wenn Du Dich noch nicht wieder voll belasten solltest, ist ein Spaziergang fast so gut wie eine Trainingseinheit.
Sind Spaziergänge verpönt?
Ist das nur etwas für “alte Leute”? Ist es zu wenig hip und angesagt? Gehen wir zwar gerne spazieren, benötigen dafür aber schicke und moderne Begriffe, muss der Begriff “power” oder “extreme” enthalten sein? Oder können wir einfach dazu stehen und uns daran erfreuen, heute einfach einmal schrecklich uncool eine Runde um den Block zu drehen?
Spazierengehen ist übrigens auch ein ganz wunderbarer Einstieg in andere Sportarten wie Walken oder Laufen. Gerade anfangs ist noch nicht wirklich viel Kondition vorhanden, für einen Spaziergang mit mehr oder weniger langer Distanz reicht es aber aus. Bist Du ein Einsteiger, so kannst Du Deine Runden mit der Zeit ausdehnen oder einfach versuchen, immer wieder ein wenig schneller zu gehen. Die kardiologische Belastung beim Spazierengehen ist geradezu ideal: Du überforderst Deinen Körper nicht und benötigst keine langen Regenerationsphasen (Regeneration und Sport). Auch die Verletzungsgefahr durch eine mögliche Überlastung ist nur sehr gering. Das Erfolgserlebnis dagegen ist sehr schnell sehr groß. So fördert der Spaziergang Deine Lust an der Bewegung. Immer öfter wird es Dich nun in die Natur hinaus ziehen.
Moderate Ausdauerbelastung an der frischen Luft ist mit das Gesündeste, was Du selbst für Dich tun kannst. Auch viele Hochleistungssportler schwören auf die guten Wirkungen des Spazierengehens, denn es bringt Abwechslung in einen sonst oftmals eintönigen Trainingsplan. Sich nun auf eine ganz andere Art und Weise in der Natur zu bewegen, das kann sehr entspannend und erholsam sein. Auch Stilübungen wie zum Beispiel das Lauf-ABC lassen sich prima in einem Spaziergang unterbringen. Ebenfalls sehr wirkungsvoll sind kombinierte Einheiten, bei denen schnellere Sprints und Intervalle mit längeren und sehr entspannten Geh-Einheiten abgewechselt werden. Insgesamt hat dies dann zwar schon sehr viel mehr mit “richtigem” Training als mit einem lockeren Spaziergang zu tun, doch die Grenzen sind wie so oft fließend.
Vom Spaziergang profitieren
Vom Spaziergang kannst Du aber auch dann proftieren, wenn Du Dich angeschlagen, ausgelaugt oder einfach nicht ganz fit fühlst. Bist Du nicht sicher, ob Bewegung jetzt das Richtige ist, und hast Du das Gefühl, Du solltest Dich nicht zu sehr belasten? Dann ist der Spaziergang ein toller Mittelweg, mit dem Du Deiner Gesundheit keinefalls schadest, sie aber vermutlich verbesserst. Jeder Schritt an der frischen Luft ist allemal besser als das Zuhausebleiben und Herumgammeln, das in den meisten Fällen einfach nur unzufrieden und träge macht. So ist ein Spaziergang ein super Gegenmittel gegen Langeweile und Frust. Gehst Du zusammen mit einer Freundin oder einem Freund, ist die gute Unterhaltung schonmal garantiert. Ihr werdet Euch wundern, welche Dinge es mit der entsprechenden Einstellung in der Natur zu entdecken gibt.
Auch für Sportler mit kleinen Kindern bieten sich Spaziergänge sehr gut an. Mit etwas Fantasie lassen sich kleine Trainingsübungen so integrieren, dass Deine Kinder den Spaß an der Bewegung entwickeln und mit der Zeit zu kleinen Trainingspartnern für Dich werden. Die gemeinsamen Erlebnisse fördern Eure Bindung. Und noch ein Vorteil: Wer ausgiebig an der frischen Luft spazieren gegangen ist, der ist abends zufrieden und müde. Die Qualität Deines Schlafes wird sich automatisch verbessern. Gerade dann, wenn Du vielleicht in der letzten Zeit zu viel und zu hart trainiert hast, wirken sich Spaziergänge sehr positiv auf Dein inneres Gleichgewicht und Deinen gesunden Schlaf aus. Sie entspannen sanft und sorgen für die nötige Bettschwere und ein einfacheres Ein- und Durchschlafen.