Gesunde Ernährung – (k)ein Grund zum Feiern? Wirft man einen kritischen Blick auf den Zustand der Welternährung, braucht es auch im 21. Jahrhundert tatsächlich noch einen eigenen Feiertag, der ihrer gedenkt und sie angemessen würdigt. Ein Großteil der Menschheit ist nach wie vor mangel- oder unterernährt, paradoxerweise nehmen jedoch gerade in den ärmsten Regionen der Welt (wie z. B. Mexiko) Wohlstanderkrankungen wie Adipositas, Diabetes Typ 2 und das Metabolische Syndrom rasend schnell an Fahrt auf.
Was die einen zu viel haben, haben die anderen zu wenig. Und wer das Glück und das Privileg hat, in einer Gegend wie Mitteleuropa aufwachsen zu dürfen, macht sich zunehmend Gedanken über den Ursprung seiner Nahrung. Artgerechte Tierhaltung, biologische Landwirtschaft, nachhaltige Produktion, regionale Erzeugnisse und Prädikate wie Fairtrade und gentechnikfrei machen es uns zunehmend schwerer, die richtigen Entscheidungen beim Essen zu treffen. Und Entscheidungen im Hinblick auf die Ernährung zu treffen gibt es im täglichen Leben viele:
- 99 Prozent der Deutschen finden es am wichtigsten, dass das Essen schmeckt.
- Für 91 Prozent ist es immerhin “wichtig”, sich gesund zu ernähren.
- Knapp 48 Prozent legen großen Wert darauf, dass das Kochen der Mahlzeiten schnell erledigt ist.
- Mehr als ein Drittel immerhin – 36 Prozent – achtet auf den Kaloriengehalt.
- Für 32 Prozent ist der Preis der entscheidende Faktor beim Einkauf.
Inhaltsverzeichnis
Gesunde Ernährung: Ein Tag – eine Bilanz
Der “Tag der gesunden Ernährung” wurde 1998 vom deutschen “Verband für Ernährung und Diätetik e. V.” (VFED) ins Leben gerufen. Seit 2007 wird er jedes Jahr am 7. März gefeiert. Zahlreiche Aktionen sollen Lust auf eine kritische Auseinandersetzung mit allen relevanten Themen rund um Ernährung machen. Tipps für den Einkauf, die Zubereitung der Speisen und verstärkt auch die Punkte Nachhaltigkeit und Vermeidung von Lebensmittelverschwendung sollen an diesem Tag in den Fokus gerückt werden.
Der Tag soll im Zeichen der Bewusstseinsbildung stehen und immer wieder aufs Neue auf die alte, aber immer noch gültige Weisheit “Du bist was du isst” verweisen. Die Konsumentinnen und Konsumenten sollen verstärkt für einen gesunden Lebensstil sensibilisiert werden. Und dieser beginnt bei unserer Nahrung. Sie ist wesentlich mehr als nur der bloße Treibstoff, der unsere Körper am Leben erhält. Gerade in den letzten Jahren wurde gesunde Ernährung schon fast zu einer neuen Religion – mit ähnlich extremen Meinungen zu jeder möglichen Ernährungsform und Lebensweise.
Neben dem körperlichen Aspekt kommt unserer Nahrung aber auch große Bedeutung zu, wenn es um unser Wohlbefinden, unsere Psyche und unser Sozialleben geht. Ein schönes Essen in geselliger Runde kann uns tatsächlich glücklich machen. Und das ist es schließlich, was nach Gesundheit am wichtigsten im Leben ist.
Gesunde Ernährung: Ein Thema – viele Meinungen
Die Frage, wie gesunde Ernährung gelingen kann, ist alles andere als leicht zu beantworten. Fragt man 10 (fachkundige) Personen, wird man (mindestens) 10 Meinungen dazu hören. Jede moderne Ernährungsform hat ihre Fürsprecher und ihre Fans. Zu jeder gibt es inzwischen zahlreiche Studien, die ihre Vorteile und ihren gesundheitlichen Nutzen belegen. Ebenso viele Studien warten mit Fakten zum Gegenteil auf. Trend-Diäten wie die Steinzeit- oder Paleo-Diät verweisen auf unser genetisches Erbe.
Der moderne Mensch und sein Körper seien noch immer auf die Ernährungsform der Jäger und Sammler programmiert. Kohlehydrate und Milchprodukte werden daher strikt abgelehnt. Dem entgegen steht die wachsende Bewegung der Veganer, die aus ethischen, gesundheitlichen, aber auch klimafreundlichen Beweggründen den Verzehr von Fleisch und allen anderen tierischen Nahrungsmitteln strikt ablehnt. Irgendwo dazwischen regieren die Befürworter*innen der Low Carb und High Fat Diäten, welche gerade in den letzten Jahren einen regelrechten Boom am Ernährungssektor ausgelöst haben.
Betrachtet man die Deutschen jedoch im täglichen Leben und holt sich die Zahlen aus aktuellen Gesundheitsstatistiken wie jene der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.) zum Beispiel, so scheint sich wohl am ehesten der “Homo Fast Foodensis” im 21. Jahrhundert durchgesetzt zu haben. Doch kein Extrem ohne Gegen-Extrem. Der grassierenden Junk-Food-Bewegung steht ein anderer, besorgniserregender Trend gegenüber.
Denn, immer mehr Menschen leiden unter “Orthorexie”. Dieser Essstörung liegt der Zwang zugrunde, um jeden Preis und ausschließlich so gesund wie nur irgend möglich essen zu wollen. Gegessen wird am Ende meist gar nichts mehr, da das Dilemma “Was ist eigentlich gesund?” praktisch nicht allgemein gültig zu beantworten ist. Beim Thema gesunde Ernährung scheint es eine einfache Antwort also nicht zu geben. Sogar an Gemüse kann gezweifelt werden, wenn die Herkunft, der Anbau und der (mögliche) Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden infrage gestellt werden müssen. Das Thema gesunde Ernährung scheint also gar nicht so einfach abzuhandeln zu sein.
Gibt es den einen goldrichtigen Tipp für gesunde Ernährung?
Leider nein – gesunde Ernährung ist so individuell wie jeder Mensch es auch ist. Wer nach dem Verzehr eines Steaks mit Gemüse voller Energie und fit wie ein Turnschuh durchs Leben flitzt, für den wird die kulinarische Zeitreise zurück in die Steinzeit sicher nicht die gänzlich falsche Entscheidung sein. Wer auf Nummer sicher gehen will, lässt sich ohnehin beim Hausarzt regelmäßig auf Herz und Nieren durchchecken.
Wer hingegen schon beim bloßen Gedanken an das Kälbchen mit den großen Kulleraugen auf dem Weg zum Schlachthof in Tränen ausbricht, wird von einer solchen Mahlzeit nicht einmal körperlich profitieren. Schlechtes Gewissen, moralische Bedenken und das Gefühl, gegen die eigene Intuition zu handeln, machen weder satt noch gesund und schon gar nicht glücklich. Gesunde Ernährung hat also durchaus auch etwas mit dem eigenen ganz persönlichen Wertegefüge zu tun.
Low Carb und High Fat werden für Vegetarier und Veganer schwierig bis unmöglich zu exerzieren sein. Keto und High Fat Ernährung sind rein von ihrer Energiedichte her schon nicht für Couchpotatos ohne jegliche sportliche Betätigung geeignet. Sie feiern im Kraftsport jedoch aktuell einen Siegeszug, da sie den Körper mit ausreichend Protein versorgen können. Dem entgegen wiederum stehen neuerdings immer mehr sehr erfolgreiche Profi- und Spitzensportler*innen, die sich strikt vegan ernähren und damit ihren Körper zu Höchstleistungen bringen können.
Die Stichworte “abwechslungsreich” und “vollwertig” bringen uns schon eher weiter durch den schier undurchschaubaren Dschungel der “Dos and Don’ts” einer zeitgemäßen, gesunden Ernährung. Eine Bewegung der letzten Jahre, die vielleicht eine gute Antwort auf die Ernährungs-Frage liefern hätte können, war “Clean Eating”. Der Verzehr von naturbelassenen Lebensmitteln ohne chemische Zusatzstoffe und möglichst unverarbeitet leuchtet jedenfalls ein.
Es gibt beim “Clean-Eating” also kein Verzichten, solange die Produkte nicht industriell verarbeitet wurden. Leider war der Siegeszug von “Clean Eating” schon wieder vorbei, bevor er richtig begonnen hatte. Der Streit darüber was “clean” nun eigentlich ganz ehrlich wirklich und wahrhaftig zu bedeuten hatte (und was auf keinen Fall) entzweite die Community und ließ den Hoffnungsträger rasch wieder in der Versenkung verschwinden. Immerhin war das kurze Aufflackern der Clean-Eating-Bewegung ein gutes Beispiel dafür, wie konfliktbeladen und explosiv das Thema gesunde Ernährung in unserer heutigen Zeit behandelt wird. Die fanatischen, fast extremistischen Züge, die eine Diskussion hier schnell annehmen kann, machen eine sachliche Auseinandersetzung schon fast unmöglich.
Gedenktag – gesunde Ernährung im Zeichen von Antworten
Der Tag der gesunden Ernährung am 7. März feiert mittlerweile sein 24-jähriges Bestehen. Der VFED hat es sich mit ihm zur Aufgabe gemacht, ein wenig Licht in das Dunkel der zahlreichen Ernährungsmythen und damit einhergehenden Verwirrung und Überforderung zu bringen. Bundesweit und in Zusammenarbeit mit den deutschsprachigen Nachbarländern finden auch dieses Jahr wieder mehr als 2000 Aktionen statt. Im Mittelpunkt steht unter anderem die Volkskrankheit “Diabetes Mellitus”. Aufgrund der aktuellen Covid-19-Situation wird dieses Jahr hauptsächlich online informiert.
Das jährlich erscheinende Fachmagazin des VFED widmet sich jeweils dem Themenschwerpunkt und soll Fachkräfte und Expert*innen wie Ärzte, medizinisches Personal, Ernährungsberater*innen und Menschen in sozialen Berufen über diese Erkrankung, ihre Entstehung, Formen und Therapiemöglichkeiten informierten. Aber auch für interessierte Laien steht die Publikation sowie weitere Dokumente und Leitfäden zum Download bereit (www.vfed.de). Aktionen im “echten” Leben sollen nach Möglichkeit zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Denn eines ist klar: Gesunde Ernährung ist nur zur Hälfte Theorie. Gelebt werden muss sie in der Praxis, und zwar jeden Tag unseres Lebens wieder aufs Neue.